Keep cool!
Eigentlich lasse ich dem halben Griechen viele Freiheiten. So ein kleines Kind stoesst den ganzen Tag ueberall nur an Grenzen, so dass ich denke, dass man da nicht noch kuenstlich weitere schaffen muss, wo es nicht unbedingt noetig ist.

Bei uns zuhause oder bei Grosseltern kein Problem.

Wenn wir aber bei anderen Leuten zu Besuch sind, fange ich an, in vorauseilendem Gehorsam das Kind von allem Moeglichen abzuhalten, ihn irgendwo wegzuzerren und anzumeckern, was dann zu Nerverei fuehrt und sowohl mich als auch den halben Griechen in kuerzester Zeit komplett unzufrieden macht. Folge: der halbe Grieche wird unwirsch, faengt an zu provozieren und geht erst recht an Sachen, an die er nicht ransoll oder schmeisst Dinge runter, und ich will dann einfach nur noch weg und raus aus der Situation.

Ich kann dann einfach nicht entspannen. Und, viele Menschen (vor allem Deutsche - sorry) erwarten das ja auch, dass das Kind ordentlich "funktioniert" und nix dreckich macht und pipapo.
Teilweise hatte ich schon gar keine Lust mehr, mit dem halben Griechen ueberhaupt noch irgendwo zu Besuch hinzugehen.

Aber es geht auch ganz anders. In unserem Freundeskreis haben wir bunt gemischte Nationalitaeten, unter anderem auch Perser (Iraner. Sie sagen selber Perser).
Da waren wir neulich zu Besuch und ich fing wieder reflexartig an, hektisch hinter dem halben Griechen hinterherzuraeumen, zu meckern und ihn von allem Moeglichen abzuhalten. Die Gastgeberin (selber 2fache Teenagermama) schaute sich das eine Weile zunehmend amuesiert an.

Als der halbe Grieche dann noch mit dreckigen Schuhen ins Haus rannte und ich aufwischen wollte, fing sie an zu lachen. "Entspann dich doch mal", sagte sie. "Was willst du denn jetzt putzen. Lass ihn doch machen, er ist ein KIND! Wir wischen einfach nachher einmal drueber und raeumen auf gut ist!"

Es dauerte eine Weile, bis ich runterfahren konnte, aber irgendwann habe ich das Kind halt einfach machen lassen.

Und wissense was? Es ist nichts passiert. Er hat mit Wasser rumgematscht, hat uns Blumentoepfe gebracht, ein paar dreckige Fussabdruecke in der Kueche hinterlassen, aber es ist nichts kaputtgegangen und es war hinterher auch nicht wirklich viel aufzuraeumen.

Und wir sind gutgelaunt und stressfrei dort losgefahren.

Selbiges bei einem guten Freund, auch Perser, der eine Bar betreibt. Der liebt den halben Griechen, und waehrend ich die ersten Male immer noch besorgt hinter dem Kind hergerannt bin, lass ich ihn inzwischen machen - er darf dort fast *alles*. Mit Matschehaenden am grossen Spiegel anfassen (wird eh taeglich geputzt), Kerzen auspusten (kann man wieder anzuenden) oder mal am Zapfhahn ziehen (kann man mit einem Knopfdruck so lange ausschalten). Und sollte er doch mal was machen wollen, was er nicht darf (auf der Kasse rumtippen) dann wird er da halt voellig unaufgeregt weggenommen.

Oder als wir zu Besuch bei A, M und J waren, der halbe Grieche gerade in der absoluten Ruepelphase, ich da bald ne Krise bekam und die Frau Mariliese, anstatt diesen "boah was fuer ein unartiges Blag"-Blick aufzusetzen, ganz locker und gelassen blieb und mir von den Ruepelphasen ihrer Kinder erzaehlte. Was war ich dankbar.

Ich wuensche mir in den Koepfen mehr von dieser Einstellung. Kinder Kinder sein lassen koennen und nicht so viel von ihnen erwarten, koennte sowohl den Kindern als auch uns Muettern (ich sage bewusst Muetter - Vaeter sind da eh lockerer) so viel Druck nehmen.

Wer hat sich nicht schonmal erwischt, zu meckern, weil ein Kind zB. beim Buddeln Sand aus dem Sandkasten schippt oder sich beim Pfuetzenhuepfen die Schuhe nass gemacht hat.

Aber, Hand aufs Herz: Ist das nicht eigentlich scheissegal?

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cassandra_mmviii, Freitag, 24. August 2012, 13:44
Nach einem verlängerten Wochenende bei meiner Tante stimme ich zu: schweissegal!

Es war suboptimal. Tante hatte ein Kind, eine Tochter. Und die ist jetzt auch schon jenseits der 30.

Kinder sind ja so süß und die Tiger ganz besonders wie sie mir immer wieder versicherte... aber beim Frühstücken schaute sie mich am ersten Tag völlig entsetzt an "Willst du nicht was machen? Das geht doch nicht!"
Kleiner Tiger schmierte sich sein Brot alleine. Für einen 5jährigen sogar ziemlich ordentlich. Aber da war Nutella am Messergriff! Nur ein Kleks, aber das ging ja so gar nicht.
Da ich immer noch das Problem nicht sah waren am nächsten Morgen alle Brote geschmiert. Das würde sie an meiner Stelle aber wirklich lieber selbst machen. Das ginge doch so nicht.

Und sie putzt mit einer Serviette an den Kindern rum.
Ich hätte den Tisch einfach nach dem Essen abgewischt und fertig.

Kinder tobten (bei hochsommerlichen Temperaturen) im Brunnen rum. Ging auch nicht.

Kinder fanden am-Terrassentisch-sitzen langweilig. Und 2/3 der Tiger konnte noch nicht Stadt-Land-Fluss spielen.

Als wir es dann endlich geschafft hatten und auf dem Spielplatz waren quengelte Tante, sie sollten mal nicht so laut sein, ob ich denn keine Angst habe, dass sie von der Rutsche fallen (nö), ob sie nicht mal im Sand spielen könnten und zusammenbleiben....

Ich war am Ende dermassen gestresst dass mir die Aussicht auf Bahnfahrt mit 3 Koffern und 3 Tigern äußerst verlockend erschien.

mariliese, Freitag, 24. August 2012, 14:55
Danke für die Blumen. Aber so eine Reaktion ist für mich selbstverständlich. Vielleicht liegt das auch am griechischen Einfluss der letzten Jahre, wer weiß?
Ich vermisse die lauten Tavernen, wo man mit etwas lauteren quängelnden Kindern nicht auffiel. Hier hört man nur das Besteck auf dem Geschirr klirren und leises Wispern. Besuche in Restaurants waren in Griechenland weitaus angenehmer. Und auch sonst wurden Kinder viel mehr toleriert, man hatte manchmal sogar das Gefühl, sie hätten Narrenfreiheit. Für uns war´s toll und in der Hinsicht fand ich es dort richtig richtig gut.

Mein Mann hat einen Onkel, bei dem wir einmal (und damals hatte ich "nur" 2 Kinder) waren und nie wieder. Der echovierte sich so wahnsinnig darüber, dass unser damals 18 Monate kleiner Sohn seine *räusper* kostbaren DDR-Wohnzimmeranbauwand mit Deko berührte und ich das nicht verhindert hatte. Wir waren mitten im Gespräch und plötzlich hatte Sohnemann eine hölzerne Matroschka vom Buffet in der Hand, die ich ihm gleich wegnahm, aber der Onkel wurde fuchsteufelswild und beschimpfte uns, dass wir nicht auf das Kind achten würden. Wir unterbrachen diesen Besuch dann auch vorzeitig, weil ich so fertig vom zwanghaften Kleinkind-Hinterherrennen und das Kind natürlich dementsprechend launisch und knatschig wurde.
Seitdem weigere ich mich, diesen Menschen zu besuchen. Er ist hier immer willkommen, aber das tue ich mir nicht mehr an.

P.S. Ich hoffe den Pflaumenschnaps hast du noch, das nächste Mal trinken wir den, versprochen! ;-)

cassandra_mmviii, Freitag, 24. August 2012, 18:19
Tigergatte hat als Kind in Italien gelebt. Seine Mutter geriet mal mit einem Kellner aneinander als sie versuchte den Jungen am Rumrennen zu hindern. Sie sagte, sie wolle doch nur, dass er in niemanden reinrennt. Kellner sagte, das Service-Personal habe gefälligst aufzupassen, dass sie in kein Kind reinlaufen, das klappe hier immer und werde auch heute klappen.

Zählt es als griechische Erfahrung, dass der Inhabersohn beim "Griechen umme Ecke" mich dran hindern wollte, mit einen mauligen 2jährigen rauszugehen? "Gar kein Problem, Kinder sind nie ein Problem" sagte er.
Wir zogen es trotzdem vor, auf dem Spielplatz auf's Essen zu warten. Bleibe halt Deutsche :-)

sid, Montag, 27. August 2012, 16:07
@cassandra
Aber da war Nutella am Messergriff! Nur ein Kleks
Ich wär froh darüber, wenn manche Erwachsene nur so wenig patzen würden...

die_schottin, Freitag, 24. August 2012, 21:15
In unserem Freundes- und Familienkreis (ich lassen meine Schwiegers jetzt mal außen vor, weil die sind leider nicht so sehr auf Kinder eingestellt und auch mehr an sauberen Gegenständen als an ihrem Enkel interessiert) sind die Menschen auch nicht so pingelig und lassen Kinder Kinder sein. Ich habe das früher vor Colin auch so gehandhabt. Das ist für alle entspannter und die Kinder sind in der Regel dann auch sehr lieb. Ich habe die Erfahrung in Großbritannien gemacht, dass dort Kinder viel willkommener sind als hier. Da reißen sich die Leute auch eher ein Bein aus, als Kinder in ihrem Dasein zu Beschneiden. Nach dem Urlaub war das mal wieder eine ganz schöne Ernüchterung hier in Deutschland anzukommen.