Unter Bloggern
Eine PR-Agentur rief zu "Deutschlands erstem Familotel - Elternbloggertreffen" - unter anderem auch uns. Warum? Ich habe keine Ahnung, wie sie auf uns gekommen sind, aber gefahren sind wir trotzdem. Den Familotel-Teil erwaehnte ich ja schon, aber ein nicht unwesentlicher Teil bestand ja auch aus dem Bloggertreffen selber. 10 Blog-Familien waren geladen. Und zwar voellig unterschiedliche. Einige reine Familienblogs und andere, die ich eher als Lifestyle-Blogs mit Familienbezug bezeichnen wuerde.

Der "offizielle" Teil bestand aus einem Kreativseminar sowie einem Seminar und einer Diskussion zum Thema Professionalisierung von Blogs.

Das Kreativseminar war recht gut, wenn auch leider viel zu kurz, um wirklich tiefe Erkenntnisse zu vermitteln. Eigentlich waren zwei Stunden fuer den Kreativteil geplant, allerdings begingen die Gastgeber den Kapitalfehler, den gefuerchteten Satz "...sich alle mal kurz vorstellen" auszusprechen. Nach einer dreiviertel Stunde hatten dann endlich alle in der gebotenen Ausfuehrlichkeit sich und ihre Blogs vorgestellt. Das war aber auch total wichtig, weil natuerlich keiner der Teilnehmer vorher auf die Idee gekommen war, sich die anderen teilnehmenden Blogs mal anzuschauen.

Interessant wurde es, als es darum ging, welche Blogartikel "immer gehen", wenn einem mal nichts einfaellt. Es kamen naemlich Sachen wie: Kommentierte Linklisten, Ausfuell-Listen, Punktelisten ("10 superwichtige Geheimtips") und Interviews. Und es muessen viele Bilder sein, und aufgelockert, und AUF GAR KEINEN FALL zu viel Text am Stueck.

Upps.

Das haette auch unter der Ueberschrift stehen koennen "Wie bastele ich einen Blog, den ich selber mit Sicherheit nie lesen wuerde" - denn die Blogs, die ich am liebsten lese, haben: Genau. Wenig Bilder und Schniggeldi (Fotos ausgenommen), dafuer gutgeschriebenen und vor allem persoenlichen und inhaltlich zusammenhaengenden Text, gerne am Block und in moeglichst klarer Linie.
Dabei ist mir Stil mindestens genauso wichtig wie Inhalt - es gibt Blogs, die mich zwar thematisch ansprechen, die aber aufgrund des Schreibstils fuer mich unlesbar sind. Oder andersrum, Blogs mit Alltagsblabla, die aber so gut geschrieben sind, dass ich sie genau dafuer liebe - wie die Herzdamengeschichten, Frau Nessie von Draussen nur Kaennchen oder meine ganz persoenliche Lieblingsbloggerin, die Frau Novemberregen. Die kann den ganzen Tag nichts erleben und daraus trotzdem einen grenzgenialen Blogpost schreiben. Voellig bilderlos. Koennte ich auch gern.

Damit bin ich also offiziell sowohl total untypischer Blogger als auch total untypischer Blogkonsument - offensichtlich ist voellig an mir voruebergegangen, dass Blogs die neuen Wartezimmerzeitschriften sind. Gut, damit kann ich leben, solange es noch andere gibt, die einfach unterhaltsame Texte schreiben (oder auch Cartoons posten). Um des Schreibens willen, einfach so.

Womit dann auch schon zum Thema "Professionalisierung von Blogs" uebergeleitet waere. Hier konnte ich mich komplett entspannt zuruecklehnen, denn Professionalisieren ist genau das, was ich mit den eineinhalb Griechen NICHT will, ganz im Gegenteil. Einerseits weil es zu sehr Muttiblog ist und hier spaetestens Schluss mit online sein wird, wenn der halbe Grieche lesen kann. Andererseits ist Bloggen fuer mich ausschliesslich Hobby, das darf neben Beruf und Freiberuf nicht auch noch zusaetzlich Arbeit machen.

Was ich nicht auf dem Schirm hatte: Das sehen viele Blogger komplett anders! Und so wurde da bunt gemischt mit Wissen, Halbwissen und Vermutungen zu Themen wie Suchmaschinenoptimierung, Bannerwerbung oder nicht und Impressumspflicht nur so um sich geschmissen und gemeinschaftlich von umsatzgenerativem Bloggen getraeumt.

Nicht fehlen durften selbstverstaendlich auch Sticheleien untereinander, Seitenhiebe und ausfuehrliches Bashing Nichtanwesender, es sassen schliesslich fast ausschliesslich Frauen am Tisch, da geht das nicht anders.

Umrahmt wurde das Ganze von einem Fotografen, der die ganze Zeit um den Tisch unterwegs war, sich sporadisch leise fluchend den Kopf an den tiefhaengenden Lampen stiess und sich ansonsten die Seele aus dem Leib fotografierte, lackierten Fingernaegeln auf Laptop-Tasterturen dabei besonders viel Aufmerksamkeit zukommen lassend.

Es war grossartig.

Samstagabend war der Hotelbar-Termin, und erstaunlicherweise konnten es fast alle einrichten, die Kinder entweder schon im Bett, fremdbetreut, oder noch wach zu haben und an der Bar aufzukreuzen. Leider verteilte es sich ziemlich. Ich haette mich gern mit noch mehr Anwesenden persoenlich unterhalten, aber das war mit herumwuselndem halben Griechen, der vielen verteilten Grueppchen und in der Kuerze der Zeit einfach nicht moeglich.

Alles in allem sehr spannend, und auch wenn ich immer noch nicht weiss, warum ich dort eingeladen wurde, finde ich doch toll, dass ich dabei sein konnte - schon allein mal, um live zu sehen, wer noch so alles schreibt.

Also nochmal vielen vielen Dank an Familotel & Griffiths Consulting fuer dieses klasse Wochenende!

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cassandra_mmviii, Dienstag, 30. Oktober 2012, 19:57
Ich mag Text. Deswegen lese ich. Bilder gucken ist nett, aber noch schöner ist es, die Geschichte dazu zu lesen.

novemberregen, Dienstag, 30. Oktober 2012, 23:19
Ich fühle mich ganz außerordentlich geehrt! Dankeschön :-)

maracaya, Mittwoch, 31. Oktober 2012, 13:22
Immer gern! Musste mal gesagt werden.

herr_bohne, Mittwoch, 31. Oktober 2012, 11:30
Ein toller Bericht, der vieles trifft, so wie auch ich es wahrgenommen habe - ein toller Schreibworkshop, der für mich noch hätte viel mehr Aufgaben beinhalten können umd auch ich lese die persönlichen Einblicke von Menschen am liebsten - dein Blog gefällt mir - schön, ihn und dich auf dem Bloggertreffen kennengelernt zu haben, schade, dass wir keine Gelegenheit gefunden haben, intensiver miteinander zu sprechen. Herzliche Grüße. Sina

maracaya, Mittwoch, 31. Oktober 2012, 13:31
Vielen Dank! Ja, die Zeit war wirklich zu kurz um Gelegenheit fuer wirklichen Austausch zu bieten... sonnige Gruesse zurueck!

hexhex-vivi, Donnerstag, 1. November 2012, 19:50
Liebe Maracaya, das hast du wunderbar geschrieben! Ich unterschreibe jedes Wort. Besonders über die "kurze" Vorstellung zu Beginn des Kreativseminars werde ich wohl auch noch ein paar Worte im Blog verlieren. Mir scheint aber, es haben tatsächlich nicht viele schön vorher mal in die anderen Blogs geguckt. Nur "ich, ich, ich". Aber schön, dass wir uns kennenlernen konnten! Ich bin genauso ein untypischer Blogger und -Konsument wie du!! Viel Text und den gut geschrieben - das ist die Kunst. Nicht ein Schlagwort (oh, Key word ^^) in der Überschrift und dann ein paar hübsche Bildchen. Liebe Grüße!!

editiert by maracaya: Klarnamen rausgenommen ;)

super mom, Freitag, 2. November 2012, 12:08
Hallo!

Schade, dass Du und einige andere Blogger das WE so negativ/sarkastisch sehen, wie man anhand der Kommentare lesen kann.

Ich versteh die Kritk an einer Vorstellungsrunde nicht. Kommst Du in ein neues Büro, stellst Du dich vor, in der Kita stellt man sich vor. Man will doch wissen wer zu welchem Blog gehört und natürlich spricht man dann über sich. Ist der Sinn einer Vorstellungsrunde.

Warum hast Du Deine Kritik denn nicht vor Ort geäußert? Halbwissen, wen interessieren Keywords..... Gar nichts zu sagen und hinterher leicht überheblich abzulästern finde ich auch keine Art. Klar ist dein Blog und nirgends steht, dass man sich mit SEO oder Werbung beschäftigen "muss", aber nur weil Du es nicht machst, es zu verteufeln?
Warum nimmt man dann so eine Einladung an? Hättest Du Dir vorher alle Blogs angeschaut, hättest Du gesehen, dass Einige professionell aufgezogen sind und andere eben nicht. Genau diese Mischung machts doch spannend und es entstanden meiner Meinung nach interessante Anregungen und Gespräche.

Und ob man nun ein Foto einarbeitet oder nicht, das sind doch nur Tipps und nie hat einer behauptet, dass nur die eine Variante die Richtige ist. Man kann auch lange Texte schreiben die scheiße sind. Andere nutzen Fotos zur Auflockerung und schreiben knackig würzige Sätze die Freude beim Lesen machen. Wenn man es will und sich drauf einlässt, kann man was lernen und was für sich mitnehmen. Man kann aber auch während der Diskussion leise sein und hinterher einen, meiner Meinung nach, recht arroganten und zynischen Text schreiben. Schade.

moritzwade, Samstag, 3. November 2012, 12:24
Oh Gott, so viel Text, wer liest denn sowas? ;)

Nein, im Ernst, ich hab mich dann doch mal eben schnell bei diesem ominösen blogger.de angemeldet, um hier kommentieren zu können.

Toller Text, ich mag, wie du schreibst. Und was die Kritik am Seminar angeht, wirst du bei uns gelesen haben, dass wir das ähnlich sehen. Ist aber auch klar, so ein Seminar kann man nicht so aufbauen, dass es allen zu 100% passt. Das mit der Vorstellungsrunde hätte man aber wahrscheinlich wirklich schlauer gestalten können (wobei: auch wir hatten natürlich in alle teilnehmenden Blogs reingeschaut. Gefehlt hat dann eigentlich nur noch die Zuordnung. ;))

Ach ja, ich hab übrigens rausgefunden, dass du hier doch einen RSS-Feed hast, wenn man einfach ein /rss hinten an die URL hängt. Jetzt bist du also in meinem Feedreader drin und für mich nicht mehr "unsichtbar".

Viel Spaß beim Schreiben!
Moritz

c17h19no3, Samstag, 3. November 2012, 15:32
da ich in einer pr-agentur arbeite, kann ich schon sagen, dass genau das das ziel solche "goodie-veranstaltungen" ist: persönliche blogs zu professionalisieren und sie - unter druck einer gratifikation - als multiplikator für die werbung (und was anderes ist pr auch nicht, nur heuchlerischer) zu gewinnen.

wir arbeiten sehr viel mit social media und instrumentalisieren möglichst arglose user möglichst effizient für unsere zwecke. konstruktive kritik ist dabei übrigens vollkommen unerwünscht, wobei auch 100 pro positive feedbacks nicht gern gesehen sind, weil die unglaubwürdig und damit fürs marketing schlecht verwertbar sind. der allgemeine nutzer soll durch über solche aktionen generierte fans ja von "du zu du" angesprochen werden. die anleitung "wenig text, viel bilder" passt da übrigens wie faust aufs auge dazu: beiträgee mit mehr bildern generieren oft mehr klicks, weil user faul sind und lesen anstrengend. inhalte interessieren nicht, emotionen und v.a. identifikationen sind wichtiger für die vermarktung.

pr durch gratifikations-aktionen ist in der regel ungemein erfolgreich. natürlich möchte jeder gern irgendwas kostenlos oder extrem vergünstigt mitnehmen. der effekt ist aber nicht zu unterschätzen: eine sehr geschickte, ja durchtriebene manipulation einer recht großen masse.

warum die pr-agentur auf sie gekommen ist, liegt einerseits an der zielgruppe bzw. anderseits an den klickzahlen. ihre besucherzahlen sind ja öffentlich einsehbar. und auch die klickzahler der referrer und die verlinkungen könnten eine rolle spielen.

in der pr passiert jedenfalls nichts, was nicht gut durchdacht und auf ihre zwecke abgestimmt ist. auf jeden fall geht es nicht darum, dass user etwas für sie wichtiges lernen oder etwas geschenkt bekommen. alles hat ein übergeordnetes ziel. ich vergleiche pr daher immer gern mit der scientology: kurzfristige positive erlebnisse sind einem übergeordneten, umheimlichen und absolut nicht menschlichen ziel verschrieben.

maracaya, Samstag, 3. November 2012, 18:12
Naja, also wenn ich eine PR-Agentur waere und meine Klickzahlen saehe, wuerde ich mitleidig laecheln und weiterklicken, daher die Verwunderung.

Aber wahrscheinlich haben Sie recht und virales Marketing laeuft nach anderen Regeln.

c17h19no3, Samstag, 3. November 2012, 18:25
man muss kein a-blogger sein, nein. ;)
die haben in der regel eine vorgabe, z.b. berufstätige mutti zwischen 19 und 39, mindestens zwei kinder im alter von 2-8 jahren, familienstand egal, aus dem gebiet berlin und mekpomm. so suchen wir z.b. protagonisten für tv-beiträge.

julia ritter, Sonntag, 4. November 2012, 17:14
Du warst wahrscheinlich eingeladen, weil dein Blog so ist, wie es ist - genau wie die anderen Blogger dort. Ich fand spannend, dass es so verschiedene Blogs gibt, die letztlich sehr ähnliche Themen behandeln, aber eben auf sehr unterschiedliche Weise. Eigentlich hätte mich das nicht überraschen sollen, schließlich ist "Familie" wirklich ein weites Feld. Und ob man darüber nun unter SEO-Aspekten bloggt oder nicht, ist nur eine Frage des eigenen Ansatzes. Ich finde, da sollte (wie so oft im Leben) die Maxime sein: Leben und leben lassen. Oder auch: Bloggen und bloggen lassen.

maracaya, Sonntag, 4. November 2012, 23:14
Okay, jetzt nochmal ganz offiziell fuer alle: ICH HABE KEIN PROBLEM MIT SUCHMASCHINENOPTIMIERUNG, ICH persoenlich finde es nur fuer MEIN Blog ueberfluessig, aber ich habe mit "seo-optmiert oder nicht" ueberhaupt kein Problem irgendwelcher Art, und davon steht auch in meinem Text nichts, also waere es nett, wenn sich da nicht alle dran aufhaengen wuerden.

Die Diskussion darueber war halt wirklich einfach zum Schiessen (ich sag nur "google denkt...").

Meine Guete, wenn ich geschrieben haette, dass ich Appletini total eklig finde und ueber die Weicheier gelaestert haette, die das Zeug trinken, waere doch auch keiner auf die Barrikaden gegangen.

Leben und Leben lassen
Genau - soll jeder bloggen (leben, lieben...) wie er will, nur bitte auch den anderen das Recht zugestehen, das dann nicht lesen zu wollen.

cassandra_mmviii, Montag, 5. November 2012, 21:35
Als "vom Fach" müssen Sätze wie "Google denkt" wirlich seltsam ankommen.

Und was ist ein Appletini? Martini mit Apfel oder ein Spezial-Apple-Ipod-Drink?

maracaya, Mittwoch, 7. November 2012, 00:21
"Appletini" ist das tuntige Lieblingsgetraenk von J.D. aus "Scrubs". Hat nix mit i-Irgendwas zu tun, ist aber trotzdem, zumindest in der von der Stammkneipe gemixten Variation, komplett ungeniessbar.

Die Rezepte dafuer reichen von Wodka-SaurerApfel-Apfelsaft ueber Wodka-Apfelkorn-Cointreau bis hin zu Wodka-Apfelkorn-Apfelsaft-Mineralwasser, aber immer mit Wodka und Apfel und wahrscheinlich immer baeh.

cassandra_mmviii, Mittwoch, 7. November 2012, 07:28
Das klingt ziemlich bäh.