Gewissensfrage
am Dienstag, 30. Oktober 2012, 00:04
Als ich heute mit dem halben Griechen heimkam, fiel mir ein aelterer, zerlumpter, plastiktuerenbewehrter Mann auf, der vor unserem Haus herumlungerte. Als wir uns naeherten, haengte er sich an uns ran und versuchte, sich mit in das Haus zu draengeln.
Ich fragte, was das soll.
Er bedeutete mir auf polnisch, er wuerde frieren. Seine Alkoholfahne haette mich fast umgehauen. Ich sagte ihm, das ginge aber nicht, er koenne hier nicht rein. Er bedeutete nochmals, ihm waere kalt.
Und dann bueckte sich der halbe Grieche, nahm ein wirklisch sehr schoen gefaerbtes Platanenblatt vom Boden und gab es dem Mann: "Hier, das kannst Du doch haben."
Und der Mann laechelte, sagte "dziękuje" und fing an, in seiner Plastiktuete zu kramen, scheinbar um irgendwas zurueckzuschenken.
Das wurde mir dann zuviel, ich ging rein und machte ihm, der immer noch versuchte, reinzukommen, die Tuer vor der Nase zu.
Die Szene aber, der alte Mann und das Kind, hatte mich ziemlich angeruehrt. Das hatte eine unerwartete zwischenmenschliche Komponente an einer Stelle reingebracht, man (also: ich) sonst doch eher wegschaut.
Und so sass ich dann oben in meiner schoenen warmen Wohnung und hatte Gewissensbisse.
Der Mann war wahrscheinlich harmlos, er war alt (wenn auch mit Sicherheit bei weitem nicht so alt wie er aussah) und langsam. Und unser Hausflur ist geheizt, fuer nichts und wieder nichts ausser zum Kostenerzeugen fuer die Wohnungsbaugesellschaft. Was spraeche dagegen, dass sich da mal einer aufwaermt, der offensichtlich grad gar nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht.
Und die grosse Frage tut sich auf, wo faengt Naechstenliebe an, wo hoert sie auf und wo beisst sie sich schlicht und einfach mit der Tatsache, dass ich nicht will, dass uns dauernd irgendwelche betrunkenen Penner in den Kellereingang pinkeln (das kommt hier naemlich oft genug vor, dank den lieben Mitmenschen, die einfach den Tueroeffner betaetigen, statt zu fragen, wer da ist). Und das mit dem Einbruch ist ja auch noch nicht lange her.
Das schlechte Gefuehl ist jedenfalls immer noch da und ich wuensche ihm, dass er ein warmes Plaetzchen fuer die Nacht gefunden hat.
Ich fragte, was das soll.
Er bedeutete mir auf polnisch, er wuerde frieren. Seine Alkoholfahne haette mich fast umgehauen. Ich sagte ihm, das ginge aber nicht, er koenne hier nicht rein. Er bedeutete nochmals, ihm waere kalt.
Und dann bueckte sich der halbe Grieche, nahm ein wirklisch sehr schoen gefaerbtes Platanenblatt vom Boden und gab es dem Mann: "Hier, das kannst Du doch haben."
Und der Mann laechelte, sagte "dziękuje" und fing an, in seiner Plastiktuete zu kramen, scheinbar um irgendwas zurueckzuschenken.
Das wurde mir dann zuviel, ich ging rein und machte ihm, der immer noch versuchte, reinzukommen, die Tuer vor der Nase zu.
Die Szene aber, der alte Mann und das Kind, hatte mich ziemlich angeruehrt. Das hatte eine unerwartete zwischenmenschliche Komponente an einer Stelle reingebracht, man (also: ich) sonst doch eher wegschaut.
Und so sass ich dann oben in meiner schoenen warmen Wohnung und hatte Gewissensbisse.
Der Mann war wahrscheinlich harmlos, er war alt (wenn auch mit Sicherheit bei weitem nicht so alt wie er aussah) und langsam. Und unser Hausflur ist geheizt, fuer nichts und wieder nichts ausser zum Kostenerzeugen fuer die Wohnungsbaugesellschaft. Was spraeche dagegen, dass sich da mal einer aufwaermt, der offensichtlich grad gar nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht.
Und die grosse Frage tut sich auf, wo faengt Naechstenliebe an, wo hoert sie auf und wo beisst sie sich schlicht und einfach mit der Tatsache, dass ich nicht will, dass uns dauernd irgendwelche betrunkenen Penner in den Kellereingang pinkeln (das kommt hier naemlich oft genug vor, dank den lieben Mitmenschen, die einfach den Tueroeffner betaetigen, statt zu fragen, wer da ist). Und das mit dem Einbruch ist ja auch noch nicht lange her.
Das schlechte Gefuehl ist jedenfalls immer noch da und ich wuensche ihm, dass er ein warmes Plaetzchen fuer die Nacht gefunden hat.
cassandra_mmviii,
Dienstag, 30. Oktober 2012, 11:06
"Das schlechte Gefuehl ist jedenfalls immer noch da und ich wuensche ihm, dass er ein warmes Plaetzchen fuer die Nacht gefunden hat."
Das wünsche ich ihm auch.
Die Frage stellt sich uns nicht mehr seit wir in die Kleinfamilienidylle gezogen sind. Vorher allerdings schon.
Ich hab' bei so was seit einer Brandserie in Göttingen auch immer Angst vor Feuer. Gründe genug, solche Menschen vor die Tür zu setzen, gibt es genug. Trotzdem: man vergibt sich nichts wenn man die Wärme und Trockenheit, die eh da ist, teilt. Aber die Gefahr von Feuer, Einbruch, Suff und Pisse im Flur bleiben da. Genau wie das schlechte Gewissen. Ich weiß es mal wieder nicht.
Das wünsche ich ihm auch.
Die Frage stellt sich uns nicht mehr seit wir in die Kleinfamilienidylle gezogen sind. Vorher allerdings schon.
Ich hab' bei so was seit einer Brandserie in Göttingen auch immer Angst vor Feuer. Gründe genug, solche Menschen vor die Tür zu setzen, gibt es genug. Trotzdem: man vergibt sich nichts wenn man die Wärme und Trockenheit, die eh da ist, teilt. Aber die Gefahr von Feuer, Einbruch, Suff und Pisse im Flur bleiben da. Genau wie das schlechte Gewissen. Ich weiß es mal wieder nicht.
herr_bohne,
Donnerstag, 15. November 2012, 21:15
Liebe Maracaya, ich denke schon seit ein paar Tagen über diesen Post nach und frage mich, was ich wohl getan hätte und ich merke, wie groß doch der Unterschied zwischen Großstadt und Landleben ist - ein solches Erlebnis wäre hier im Ort schwer vorstellbar. Ich hätte wahrscheinlich auch ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis und hätte mich daher ähnlich verhalten, auch hätte ich mein Mädchen schnell "in Sicherheit" gebracht. Aber dann hätte ich mit einem schlechten Gewissen auf dem Sofa gesessen. Und mir Gedanken gemacht und mir wäre bewusst geworden, wie gut wir es doch haben ...